(nach einer Kurzgeschichte aus «Blitzeis»)
WDR (2001)
1.
Erzähler: Ich war erstaunt, wie klein das Herz war. Es lag in der offenen Brust des Patienten und pulsierte schnell und regelmässig. Die Rippen wurden von zwei Metallzwingen auseinandergehalten. Der Chirurg hatte durch eine dicke Fettschicht schneiden müssen.
2.
Chefarzt: Ein Eingriff kann machmal sechs, acht Stunden dauern. Die Müdigkeit kommt erst danach. Chirurgen sind ständig unter Strom, Sekunden entscheiden. Dann muss man völlig abschalten können und sich nur auf die eine Sache konzentrieren. Die Entscheide sind immer einfach: schneiden oder nicht schneiden. Es ist eine schöne Arbeit. Jetzt sollte ich wohl sagen, weil man Menschen helfen kann (lacht). Es ist schön, wenn man Menschen helfen kann, und es ist auch spannend. Jeder Patient ist anders, jede Operation. Man weiss nie, was geschieht. Ja. Aber … Am schlimmsten ist es bei jungen Patienten. Im Juni habe ich ein junges Mädchen operiert. Achtzehn. Ein Tumor. Die fragte mich, als sie kam, ob sie in vier Wochen nach Spanien reisen könne. Nach Spanien ist sie dann noch gegangen, ja. Und dann … Man braucht eine dicke Haut, kann nicht mit jedem Patienten mitleiden, sonst dreht man durch. Man will unbedingt helfen, aber man kann nicht mit jedem weinen.
3.
Erzähler: Zwei Stunden dauerte die Operation, dann wurden die grünen Tücher entfernt, mit denen der Patient zugedeckt war. Vor uns lag ein alter Mann nackt auf dem Operationstisch. Eines seiner Beine war am Unterschenkel amputiert, und über den Bauch verliefen drei grosse Narben von früheren Eingriffen. Die Arme des Mannes waren weit ausgebreitet und festgebunden worden, als solle er jemanden umarmen. Ich wandte mich ab.
4.
Chefarzt: Interessant?
Dieter: Das Herz ist so klein. Ich glaube, ich hätte das lieber nicht gesehen.
Cherarzt: Klein, aber zäh. Ursprünglich wollte ich Psychiatrie machen.
Markus: Das hat mir überhaupt nichts gemacht. Ich hatte Angst, dass …
Dieter: Du hast es ja auch nur durch den Sucher gesehen.
Markus: Es hat überhaupt nicht geblutet.
Chefarzt: Man muss nur wissen, wie schneiden.
Dieter: Der hat auch schon ziemlich gelitten.
Chefarzt: Das Bein haben wir ihm nach einer Thrombose abnehmen müssen. Und die Narben, da haben wir Stücke der Lunge rausgenommen.
Dieter: Lohnt sich das denn? Ich meine, auch für ihn.
Chefarzt: Wir lassen die Patienten entscheiden. Wenn es keine Komplikationen gibt, kann der Mann gut noch ein paar Jahre leben. Man kann auch mit einem Lungenflügel ganz gut auskommen. Alles eine Frage des Trainings.
(…)
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