Hörspiel: In Vitro

In Vitro

DRS1, Zürich, 1994

(…)
Anna: Bertel…
Dr. Selbander: Du bist noch wach?
Anna: Warum hast du mir nicht gesagt, dass das Ei von Gina…
Dr. Selbander: (zögert, dann ungeduldig) Na und? Bin ich dir Rechenschaft schuldig? Das ist meine Arbeit, die verstehst du sowieso nicht. Gina ist gutes Rohmaterial. Schön, intelligent, gesund — und fruchtbar. Ausserdem ist sie eine Freundin der Familie.
Anna: Deine Freundin.
Dr. Selbander: Was kann ich dafür, dass ihr Frauen euch nicht vertragt. Natürlich … unterschiedliche Interessen etcetera. Als Architektin … als Berufsfrau … und du …
Anna: Ja und ich. Ich bin nur die dumme Hausfrau, die es nicht schafft, sich mit der Geliebten ihres Mannes zu vertragen.
Dr. Selbander: (böse) Nur kein Selbstmitleid. Es ist nur normal, dass ein Mann fremdgeht, wenn er zu Hause so eine ewig enttäuschte Langweilerin hat. Hättest du dich ein bisschen bemüht …
Anna: Ich musste Geld verdienen, während du in der Ausbildung warst.
Dr. Selbander: Man hätte ja nicht zu heiraten brauchen. Meinen Weg wäre ich auch alleine gegangen. Ein Genie setzt sich immer irgendwann durch.
Anna: (wütend) Aber ich will nicht, dass du mir Eier von deiner Freundin einpflanzst!
Dr. Selbander: (laut) Na! Deine Kinder, na? Was? Dumm und faul. Landstreicher wie der Bruder oder Selbstmörder wie der Vater. Eine solche Brut — nein danke.
Anna: (verzweifelt) Ich kann ja keine Kinder kriegen.
Dr. Selbander: (ruhiger) Ja, eben … das ja auch …
Anna: (misstrauisch) Das hast du gesagt.
(…)
 

 

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