DRS1, Zürich (199?)
SFB, Berlin (199?)
Schweizer Hörspielpreis 2000
(…)
Jetzt wohned mer vor de Schtadt, d’Mueter, de Vatter, d’Grossmueter, d’Schwöschter, de Brüeder und ich. Aber früener, bevor mer vor de Schtadt gwohnt händ, im Huus mit de vier Eggä, im Johr mit de vier Johresziite, wo mer d’Glogge ghöred vo de Chile und de Wind und de Räge, früener hämmer immer züglet. Mir händ do gwohnt und det, dobe und dune, dihine und divorne, überall und nienet. Und z’allererscht, bevor mer irgend neumet suscht gwohnt händ, hämmer im Huus mit de blaue Lampe gwohnt.
Wo mer uf em Tach vo de Chile gwohnt händ, händ mer am Sunntig immer früe müese ufschtoh. Däfür sind mer nie is Bett, bevor’s Mitternacht gschlage hät. Mer händ immer gwüsst, wie schpoot’s isch. Jede Obig hät de Pfarrer öppis une ufe grüeft, aber mer händ en nie verschtande. Mängmol sind Fründ z’Bsuech cho und händ eusi ganze Vorrät ufgässe, und am nöchschte Tag händ mer mit de Leitere neui Vorrät uf’s Tach ufe gholt. Im Summer sind d’Ziegel no warm gsi, wänn d’Sunne scho längschtens undergange isch. Bim Tschute isch de Ball ab em Tach abe gheit, und mir händ de Wulche noglueget und händ langi Gschichte erfunde. Mir händ e Chuchi gha und e Schtube und jede es eiges Zimmer, aber zwüsched de Zimmer hät’s e kei Wänd gha.
De Brüeder hät im Opferschtock vier Münze gfunde, d’Grossmueter hät em drümol gseit, er müesis zrugg gä, zweimol händ mer nöd gwüsst, wo d’Mueter isch, und de Vatter hät öppis verschproche. Aber de Grossvatter isch jedesmol trurig gsi, wänn’s im Friedhof une öpper beärdiget händ. Drum händ mer i d’Gige vo de Tante züglet.
Wo mer i de Gige vo de Tante gwohnt hät, hät de Bode bi jedem Schritt knaret. Wänn d’Tante Zigünerlieder gschpillt hät, sind d’Möbel umgheit, und wänn sie tütschi Lieder gschpillt hät, hät d’Grossmueter prüelet. Wänn d’Tante güebt hät, sind d’Tön immer ufe und abe und mer händ eus d’Ohre müese zue hebe. D’Mueter hät d’Wösch a de Saite ufghänkt, und de Vatter hät gseit «Violine» und such nüt, well’s em nöd gfale hät, wo mer gsi sind. Es hät nach Kolophonium gschmöckt und nach Holz und nach altem Lagg, und wänn d’Gige im Gigechaschte gläge isch, isch es tunkel und muffig gsi, und mer händ nöd use chöne. Mängmol händ mer gsunge, wänn’s hell gsi isch und d’Tante gschpillt hät, und mängmol isch es schön gsi und mängmol no schöner.
De Grossvatter hät d’Näme vo allne vier Saite gwüsst, d’Schwöschter hät drü Lieder uswändig chöne, de Vatter hät sich Watte für d’Ohre gkauft und d’Mueter hät e Sacherturte pache. Aber d’Tante hät ufghört Gige z’schpile. Drum sind mer niened häre züglet.
Wo mer nienet gwohnt händ, händ mer eusi Poscht müese sälber abhole. Aber mer händ gar kei Poscht me übercho, well d’Lüt eus vergässe händ und nüme gkännt händ. Mir händ nie gschlofe, und well mer nöd gschlofe händ, händ mer au nüt gässe und händ nur mängmol echli Tee oder warme Wii trunke. Im Summer hät’s immer grägnet und im Härbscht händ mer d’Vögel gseh, wo nach Süde zoge sind. Im Winter isch es chalt gsi, und im Früelig sind d’Vögel wider zrugg cho. Mängmol händ mer drü Pullöver überenand agleit und zwei Paar Hose und zwei Paar Schue. Aber mir händ kei Gäld me prucht. Mir sind von nienet nach nienet gange und händ underwägs d’Näme vo de Schtrosse uswändig glehrt. Dänn händ mer d’Schaufänschter aaglueget und händ eus überleit, was mer alls nöd bruched.
D’Grossmueter hät kei Geduld gha, dä Brüeder hät sini Ufgobe nöd gmacht, d’Mueter hät kei Büecher me gläse und de Grossvatter hät mängs vergässe. Äm Vatter aber isch es immer langwilig gsi. Drum sind mer vor’d Schtadt züglet.
Sit mer vor de Schtadt wohned goht’s eus guet oder besser. Mir wohned imene grosse Huus, wo usgseht wie die Hüser links und rächts. Mir händ e kein Garte, aber hinter em Huus wachsed Blueme. D’Velo schteled mer in Chäller. Vor em Tunkle händ mer e kei Angscht. Mir ghöred d’Glogge vo de Chile schloh und mängmol de Wind und de Räge. Vills isch jede Tag glich und mängs isch jede Tag anderscht. De Grossvatter vermissemer sehr. De Unkle chunnt jede Mäntig z’Bsuech. Dänn verzellt er, was er gläse hät oder was em d’Frau us em Chäsgschäft verzellt hät. Und d’Tante hät chürzlich gschriebe, sie heb wider aagfange Gige schpile und wür sich freue, wänn mer emol z’Bsuech chiemed.
Vier Eggä hät euses Huus, vier Johresziite euses Johr, vor vier Johr sind mer vor d’Schtadt zoge und ich glaub, do blibed mer no lang.
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